Unsere Reise ging weiter nach Jodhpur, zu weiteren Verwandten von Karan und Mum. Da wir den Weg, zum Haus in Jodhpur, nicht finden konnten, wurden wir von seinem Onkel und dessen Sohn abgeholt. Beide Kamen mit dem Roller, der Sohn hinten drauf mit dem Körper nach hinten gerichtet, sodass er zu uns ins Auto schauen konnte. Beide tragen keinen Helm. Im Großteil von Indien besteht immer noch keine Helmpflicht und wenn Helmpflicht besteht, meist in den Städten, dann nur für den Fahrer des Motorrads. Das der Sohn nun verkehrtherum auf dem Motorrad sitzt und es seinen Eltern nichts auszumachen scheint ist kein Ungewöhnliches Bild. Ich habe schon ganze Familien, mit 3 Kindern und einem Baby, zusammen auf einem Motorrad sitzen sehen. Sogar ein Kind, das an seiner Mutter während der Fahrt hinten festgebunden war und schlief. Hier in Indien völlig normal.
Bei Onkel und Tante nun angekommen, stellen wir uns erstmal vor. Hier im Haus lebt eine typisch indische Familie, der Vater, dessen Mutter und Frau und das Kind. Wie ich schon erwähnt habe, zieht die Frau immer zu der Familie des Mannes, was bedeutet, dass man meist mit seiner Schwiegermutter zusammenlebt. Nicht immer einfach, wie ich aus eigener Erfahrung beurteilen kann. Je nachdem, wie die eigene Schwiegermutter drauf ist, kann es einem das Leben zur Hölle machen. Ich habe schon Geschichten von Mädchen gehört, die am Ende die Putzfrau des Hauses war und keine eigenen Entscheidungen mehr treffen konnte.
Nachdem wir uns alle vorgestellt hatten, sollten wir uns erstmal ausruhen. Wirklich hinlegen konnten wir uns aber nicht. Der Sohn des Hauses wollte uns alle seine Playstationspiele vorstellen und versuchte auch Karan zu animieren auch mit ihm ein paar Spiele zu spielen. Da Karan schon als Kind nie solche Spiele gespielt hatte und auch niemals irgendeine Konsole besaß, machte ihm es dementsprechend überhaupt keinen Spaß. So bot ich dem Jungen an, dass ich mit ihm spielen würde, was ihn sichtlich überraschte. Bevor ich Deutschland verlaß, war ich selbst in solche Spiele tief versunken, ich habe kaum das Haus verlassen und schloss mich meistens in meinem dunklen Zimmer ein, um ein Spiel nach dem anderen zu spielen. Natürlich besaß ich eine Xbox und eine Playstation, denn für die jeweilige Konsole gab es Spiele die es nur für die eine gab und für die andere nicht. Dieses Zeiten sind nun vorbei und wenn ich daran zurückdenke, wundert es mich schon wie sehr ich mich im Leben verändert habe. Wie eine völlig andere Person, eine Person die sich nur über das Zocken identifizierte hatte, landete auf einmal in Indien, schon komisch. Auf jeden fall hatte ich nun hier in Indien die Möglichkeit mein altes Zockerherz wieder aufleben zu lassen und verbrachte den Nachmittag mit den Jungen vor seiner Konsole, bis uns seine Eltern stoppen mussten.
Den Abend haben wir zusammen verbracht, wie immer alle zusammen auf dem Bett sitzend oder auf einem Stuhl daneben, der Fernseher lief im Hintergrund, wir unterhielten uns und der Rum mit Wasser oder Cola durfte natürlich nicht fehlen. Karans Familie ist sehr unterschiedlich, eine Seite ist sehr offen, bei der ich auch ohne mich zu verstecken ein Gläschen Rum trinken konnte und die andere Seite wiederum sehr traditionell, die es gar nicht erst wissen sollten, dass ich überhaupt je einen tropfen Alkohol zu mir genommen habe. Der Abend verlief ruhig wir tranken und als wir damit fertig waren, was so meist gegen 10, 11 am Abend war gab es Abendessen und danach gingen wir schlafen.
Am nächsten Tag war der letzte Tag des Jahres 2014 und wir wollten in hier zusammen mit seinem Onkel und seiner Tante verbringen. Der ganze Tag verlief eher ruhig und wir blieben daheim, verbrachten Zeit miteinander und ab und zu gingen Karan und ich hinaus um den Nachbars Kindern auf der Straße beim Fahrrad fahren zuzuschauen, jeder wollte uns irgendwelche tricks zeigen. Einige Kinder kamen aus den Häusern, denn das eine Weiße im Nachbarhaus ist, spricht sich schnell rum und man begegnet vielen neugierigen Blicken. Wenn man nicht gerade in einem Touristen gebiet ist, kommt es eher selten vor das Leute aus einem anderen Land in der Nachbarschaft sind, es ist ein seltenes Bild für die Kinder und auch Erwachsenen. Wer schon einmal in Indien war, der kennt das Gefühl, für sein anders sein angestarrt oder beobachtet zu werden. Bei uns kam noch dazu, dass ich als Ausländer, nun auch mit einem Inder verheiratet war und wie man sah, auch den ganzen Traditionen einer verheiratet Frau vom äußerlichen Folge. Somit ist man noch mehr neugierigen Blicken ausgesetzt, die Menschen wollen wissen was da los ist, was dahinter steckt, ob ich weiß was diese Symbole alle bedeuten. Manche freuen sich das ich den Traditionen folge, da es die neue Generation meist gar nicht mehr tut, manche Blicke sind misstrauisch und ungläubig. Wobei ich sagen muss, die Mehrzahl der Menschen ist mir meist mit einem sehr positiven Gefühl begegnet, sie freuen sich das man sich den Traditionen und Gegebenheiten in ihrem Land anpasst.
Der Sylvester Abend verläuft in Indien wie bei uns auch, man sitzt zusammen, schaut sich vielleicht noch eine Neujahrsendung an und isst und trinkt zusammen. Wenn die Uhr dann 0.00 Uhr geschlagen hat, geht man zusammen nach draußen und feuert ein paar Sylvester Knaller ab. Da ich mich an der Sylvester Knallerei beteiligen wollte, nahm ich einen Knaller in die Hand und zündetet ihn an, was nichts ungewöhnliches ist, so kannte ich es nunmal, anzünden und wegschmeißen. Die Rechnung hatte ich aber nicht mit indischen Knallern gemacht, ich sollte schnell merken das diese nicht mit den geprüften deutschen Knallern zu vergleichen waren, denn ich hatte nicht einmal die Möglichkeit diesen blöden Knaller wegzuschmeißen. Die Zündschnur war lang, doch sie war in einer Sekunde abgebrannt und explodierte in meiner Hand. Karan kam natürlich schockiert angerannt und fragte mich ob ich sie eigentlich nicht mehr alle habe, man würde sowas doch nicht in der Hand anzünden, sie sondern auf den Boden legen anzünden und weglaufen. Ich erklärte ihm, dass wir so ähnliche in Deutschland haben und das genug Zeit wäre, diese in der Hand anzuzünden und auch wegzuschmeißen. Wer konnte denn ahnen das eine lange Zündschnur nichts bringt. Ich hatte zwar Schmerzen in der Hand und von Krachern hatte ich jetzt auch erstmal genug, doch zum Glück war nichts schlimmes passiert und der Knaller nicht ganz so groß. Da Karan keinen Wert auf diese Knallerei legt, auch wenn sie an fast jeden Festival vollzogen wird, war es somit mein erstes und letztes mal das ich an der Sylvester Knallerei mitgemacht hatte oder je wieder eines in die Hand genommen hatte.
Nichtsdestotrotz hatten wir einen schönen Einstieg in das Jahr 2015, welches noch viele Höhen und Tiefen für uns bereithielt. Die Unbeschwertheit sollte ein Ende nehmen und der Alltag würde einkehren. Karan und ich würden uns besser kennenlernen und wir sollten noch einige Male an unsere Grenzen stoßen. Zudem sollte ich noch früh genug merken, dass das Leben in Indien nicht so rosarot ist, wie ich es als Tourist kennengelernt habe, ich würde andere Seiten entdecken, Seiten die mich dazu gebracht haben Deutschland zu verlassen.
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